Ein wichtiges Projekt

TK: Frau Jefcoat, was waren die Beweggründe, an PEKo*(„Partizipative Entwicklung von Konzepten zur Prävention von Gewalt in der stationären Pflege“) teilzunehmen?

Ulli Jefcoat: Als wir 2019 von der Hochschule Fulda auf das Präventionsprojekt angesprochen wurden, war uns sofort klar: Da machen wir mit. Grenzüberschreitungen und Gewalt im erweiterten Sinn kommen in allen zwischenmenschlichen Beziehungen vor, insbesondere auch in Pflegeeinrichtungen. Unser Ziel ist: Alle Menschen in unserer Einrichtung sollen gewaltfrei leben und arbeiten können.

TK: Was müssen wir uns unter „Gewalt“ in einer Alten- und Pflegeeinrichtung vorstellen?

Ulli Jefcoat: Ich habe selbst, als ich noch neu in meinem Beruf war, relativ schnell eine unangenehme Gewalterfahrung gemacht. Ich musste damals eine psychisch erkrankte Bewohnerin daran hindern, allein eine stark befahrene Straße zu überqueren. Sie hat sich heftig gewehrt und mich in den Arm gebissen. Mit solchen schwierigen Situationen, wie sie zwischen den Mitarbeitenden und Bewohnerinnen und Bewohnern entstehen können, bei denen eine demenzielle oder psychische Erkrankung vorliegt, müssen wir umgehen lernen.
Unter den Mitarbeitenden wiederum ist die häufigste Form der Gewalt nach meiner Erfahrung die verbale Gewalt, also eine konfliktvolle Kommunikation. Diese Konflikte sind nicht gewollt; sie entstehen durch Zeitdruck und Stress.

TK: Wie haben Sie das Thema Gewaltprävention angepackt?

Ulli Jefcoat: Ende 2019 installierten wir ein Team von Mitarbeitenden aus allen Arbeitsbereichen, die sich ein Jahr lang unter Mitarbeit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin der Hochschule Fulda mit der Fortentwicklung des bestehenden Gewaltpräventionskonzept beschäftigte und es optimierte.
Aus der Arbeit am Gewaltpräventionskonzept heraus entstand die Idee eines Workshops für die Mitarbeitenden. Das Team erarbeitete ein tragfähiges Schulungskonzept und wir konnten bald den ersten Workshop anbieten. In Rollenspielen greifen wir Situationen aus unserem Alltag auf, in denen zwischen Mitarbeitenden und Angehörigen oder zwischen Bewohnern und Personal etwas schiefgelaufen ist. Es ist dann Aufgabe der Gruppe, für die Situationen Lösungsansätze zu finden. Das kommt bei den Teilnehmenden gut an, weil sie Ähnliches vielleicht sogar schon selbst erlebt haben. Ein besonderer Glücksfall ist, dass im Sommer 2021 ein Psychologischer Psychotherapeut zu unserem PEKo-Team dazu gestoßen ist. Er spricht aktiv als Fachmann bei den PEKo-Schulungen über deeskalierende Maßnahmen, führt Rollenspiele zu gewaltfreier Kommunikation durch oder gibt vertrauensbildende Anregungen und vieles mehr. Mittlerweile sind wir schon beim sechsten Workshop.

TK: Gab es auch Hürden, die Sie überwinden mussten?

Ulli Jefcoat: Die Kolleginnen und Kollegen werden für die Treffen unseres PEKo-Teams und für die Workshops von ihrer Arbeit freigestellt, was sich in der Umsetzung als nicht ganz einfach erwies. Aber unsere Dienstplanerinnen und Dienstplaner machen es möglich. Das klappt, weil sie vom PEKo-Projekt wirklich überzeugt sind.

TK: Was hat sich durch PEKo in Ihrer Einrichtung verändert?

Ulli Jefcoat: Seit dem Abschluss des ersten Projektjahres sind wir im Regelbetrieb, in dem wir das Gelernte täglich anwenden und die neuen Strukturen unseres Gewaltfreiheitskonzepts bewahren. Im Lauf der Zeit sind alle Kollegen und Kolleginnen aus unserem PEKo-Team zu Vertrauenspersonen für alle Mitarbeitenden im Haus geworden, an die sie sich bei Problemen jedweder Art wenden können. Egal welche Form von Gewalt stattgefunden hat: Es ist unglaublich hilfreich für die Mitarbeitenden, sich über selbst erfahrene, bei anderen beobachtete oder auch über die selbst ausgeübte Gewalt austauschen zu können. Ggf. muss ein Vorfall auch weiterverfolgt werden, indem das Gespräch mit allen Beteiligten gesucht oder eine Fallbesprechung mit allen Beteiligten behandelt wird, was aber selten vorkommt.
Eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit kann für alle nur positiv sein. Dennoch bleibt PEKo ein Thema, das uns sicherlich noch viele Jahre begleiten wird. Die Sensibilisierung der Mitarbeitenden für akzeptable und nicht akzeptable Verhaltensweisen und die Grenzen dessen, was als Gewalt empfunden wird, ist enorm wichtig und notwendig.